Eine kritische Sicht auf den offiziellen Weg
Mehr lernen, mehr wissen, und das in kürzerer Zeit. Ohne Studium? Warum dich ein Studium als Illlustrator noch lange nicht automatisch an das erhoffte Ziel der Träume bringt.
Warum ein Studium für Illustratoren keinen Sinn macht
Zuerst: mir ist bewusst, dass hierüber die Meinungen sehr auseinander gehen werden. Für mich ist die inhaltliche Entscheidung darüber absolut eindeutig. Warum ein Teil von mir es dennoch nicht bereut, studiert zu haben, das liest du weiter unten.
Worauf fusst meine Ablehnung des Studiums für Illustratoren?
Meine Ausbildung hat mich so gut wie gar nicht vorbereitet auf all die Aspekte, die NEBEN dem Gestalten mit der Selbständigkeit einhergehen. Also Akquise, Buchhaltung, Verkaufen etc.
Schaue ich mir den Weg vieler Kollegen aber an, dann schätze ich, dass ungefähr ein Viertel dauerhaft selbständig ist. Und vielleicht ein weiteres Viertel, zumindest zeitweise, auch selbständig arbeitet(e).
Wenn aber 80 Prozent dessen, was meinen Alltag als Selbständiger bestimmt, im Studium nicht vorkommt (oder nur zu einem Prozent vorkommt), ist in meinen Augen das gesamte Studium fragwürdig, da realitätsfern geplant. Und damit insgesamt sehr schlecht investierte Zeit.
Und damit schreiten wir zur Tat 🙂
5 Gründe warum du als Illustrator kein offiziell anerkanntes Studium brauchst
1. Das Wesentliche, das du brauchst, um ein erfolgreicher Illustrator zu sein, lernst du an keiner Schule.
Nach dem Studium, angekommen in der Realität, war ich tatsächlich ziemlich erstaunt, wie weltfremd so ein Studium ist.
Was meine ich mit das „Wesentliche“? Gemeint sind all die planerischen und organisatorischen Dinge hinter dem Zeichnen selbst. Also Kunden finden, akquirieren. In einem Kundengespräch überzeugen.
Mir bewusst sein, was ich verdienen muss, um wirklich nachhaltig davon leben zu können. Diesen Preis dann auch verteidigen können. Das Basis-Handwerkszeug für Preisverhandlungen. Ein realistisches Koordinatensystem, um den Wert meiner Arbeit für einen Kunden zu bemessen, damit ich mich nicht ausnehmen lasse.
All das habe ich erst beim Machen in der Praxis gelernt.
Es ist sicher normal, dass man vieles erst in der Anwendung lernt. Eine Grundlage, die den Erfolg wahrscheinlicher macht, sollte aber schon im Studium vermittelt werden. Damit man überhaupt noch dazu kommt, seinen Beruf auszuüben.
Denn wenn ich organisatorisch scheitere, aufgrund von fehlendem wirtschaftlichem Know-How, dann komme ich erst gar nicht dazu, das zu tun, wofür ich jahrelang ausgebildet wurde: Comics, Bücher, Erklärfilme zeichnen...
2. Das Studium ist nur so gut wie deine Lehrer
Ich hatte oft die (Wunsch-) Vorstellung, dass der richtige Lehrer mir hilft, das beste aus den Ansätzen zu holen, die er sieht. Dass er hilft dem Talent zur Reife zur verhelfen, damit die Arbeit auch kommerziell anwendbar wird.
Vielleicht ist das zu viel verlangt. Mich würde jedenfalls sehr interessieren, wie viele Studenten dieses Glück tatsächlich haben. Eine individuelle Förderung in diesem Sinne gab es nicht. Aber es gab einen Schrank voller Gipsköpfe. Und die haben wir abgezeichnet. Monatelang.
Hat das irgendeinen positiven Effekt gehabt, an irgendeinem Punkt meiner beruflichen Tätigkeit? Du kennst die Antwort.
Um den Griff ins Klo zu vermeiden, solltest du dir in jedem Fall schon vorher genau ansehen, wer die Leute sind, die dich unterrichten. Haben Sie selbst etwas vorzuweisen?
Sind deine Lehrer erfolgreich mit dem was sie tun? Oder sind sie nur deshalb Lehrer, weil sie sich hier bis zur Rente bequem den Hintern platt sitzen können?
Vielleicht sogar, weil sie am Markt gescheitert sind. Und zuletzt, besitzen sie auch die menschlichen Fähigkeiten, dir etwas beibringen zu können. Oder sind sie nur zum Davonlaufen?
Einschränkend zu diesem Punkt muss ich natürlich sagen, dass der Punkt genauso für ein Studium sprechen kann, wenn die Hochschule über fähige Leute verfügt.
3. Die Schule kann dich nicht zum Lernen zwingen. Du bringst dir im Grunde sowieso alles selbst bei.
Gerade im Studium der Illustration, musst du dir ja alles selbst durch das Üben aneignen. Alles kommt von und durch dich selbst. Du bist es der probiert, scheitert, probiert, etwas findet das funktioniert, dann weiter daran feilt usw.
Insofern ist das zweitbeste das einem an der Uni passieren kann wohl, dass man einfach weitgehend ungestört für sich selbst arbeiten kann. Und das kannst du natürlich genauso gut alleine, wenn nicht sogar besser.
Und wenn du es selbst tust, tust du es in deinem Tempo. Und damit oft vermutlich zehn bis zwanzig mal schneller, da du nicht gezwungen bist, finale Bilder abzuliefern, oder bestimmte Themen zu bearbeiten.
An der Hochschule arbeitest du dagegen oft nur noch für Lehrer und Noten, obwohl dies völlig sinnlos ist.
Wie viele geniale Illustratoren gibt es online da draussen, die ihr Wissen und Können offen teilen? Die Kurse anbieten? Wie viele geniale Köpfe von denen du lernen willst gibt es dagegen an deiner Hochschule? Der Unterschied ist wohl in etwa vergleichbar mit der Menge an Videos auf youtube im Vergleich zu der Menge DVDs in deinem Schrank.
Im Studium musst du deine Zeit einer Gruppe von wenigen schenken, die dich mit ihren Fähigkeiten vielleicht noch nicht einmal überzeugen.
"Nur wer sein Ziel kennt, findet den Weg." - Laozi
4. Kein Fokus auf das was du wirklich machen willst
Es gibt jede Menge Kurse im Studium, die vielleicht interessant sind, die dir aber in deiner Selbständigkeit als Illustrator kaum oder gar nicht helfen. Daher sind sehr viele der Uni-Kurse im Rückblick einfach nur Zeitverschwendung.
Wenn du aber weißt, wo du hinwillst, kannst du auch direkt an den Start gehen. Deinen eigenen Plan machen. Alle wichtigen Dinge rein packen, konzentriert. Und dann kannst du in einem Zehntel der Zeit mehr lernen und erreichen.
Ein Studium ist insofern vielleicht vergleichbar mit einer dicken Wochenendausgabe einer Zeitung.
Du kannst es dir auf dem Sessel bequem machen, und in einer Stunde alles lesen und herauspicken, was dich wirklich interessiert und dich weiter bringt.
Was du nicht tun wirst, ist das ganze fette Ding von vorne bis hinten durchlesen, inklusive Horoskop und Wetterbericht, nur um dann die Zeitung Sonntagabend um 23 Uhr aus der Hand zu legen und ins Bett zu fallen.
Es ist Irrsinn. Es fällt nur weniger auf, weil wir den Quatsch über Jahre in erträglichem Maß dosieren.
5. Nirgends lernst du so schnell wie im echten Berufsleben. Das gilt für das Illustrieren genauso wie für das ganze Wissen rundherum
Im echten Arbeitsleben gibt es kein Pardon. Du bist mit 100 Prozent bei der Sache. Du tust alles dafür, dass das Ergebnis das bestmögliche ist. Dass der Kunde wieder kommt. Oder dich sogar empfiehlt.
Rechtliche Gegebenheiten, Infos zu Angeboten, Rechnungen, Verhandeln. Alles saugst du begierig auf, weil du es unbedingt brauchst. Weil es dein Überleben sichert als Illustrator.
Keine ewigen Skizzenbuchsessions mehr, weil sich da draussen einfach niemand (!!!), jedenfalls kein Kunde, dafür interessiert. (Zumindest, wenn dein eigener Stil so schräg ist, wie es meiner war.)
6. (BONUS) Kein Mensch fragt je nach deinem Abschluss, und er ist auch völlig irrelevant.
Kein Kunde, und niemand für den du je arbeiten wirst als selbständiger Illustrator, wird sich jemals für ein Zeugnis von dir interessieren. Selbst wenn du dein Grundschulzeugnis auf deiner Webseite hochlädst, wird es wahrscheinlich niemals jemand merken.
Warum? Weil es für einen Kunden völlig egal ist.
Es ist absolut egal, wie ein Lehrer deine Sachen benotet hat. Oder ob dein Abschluss eine glatte Eins war.
Genau so egal, wie schnell du die Hundert Meter in der siebten Klasse gelaufen bist. Das einzige was zählt, ist ob der Kunde auf deine Webseite geht, deine Sachen sieht, und denkt: Hey, cool. Das ist genau das richtige für uns!
Fazit
Solltest du also nicht studieren? Ich will nicht, vor allem nicht so unpersönlich, maßgeblichen Einfluss auf deine Entscheidung nehmen. Diese Verantwortung ist mir zu gross. Ich würde aber weder das Studium noch meine Hochschule noch einmal wählen .
Ich würde genauer prüfen, ob es eine Hochschule gibt, die auf mich einen richtig guten Eindruck macht, die sympathische und fähige Lehrer hat. Und Absolventen, die sagen, ja, das war super hier, und es hat mir auf jeden Fall sehr geholfen.
Ich bereue es übrigens trotzdem nicht studiert zu haben. Das hat aber keinerlei fachliche Gründe. Es war einfach eine gute Zeit. Und vielleicht reicht das ja auch (für dich) schon, um dich für ein studium zu entscheiden...
Disclaimer: Diese Meinung ist natürlich absolut persönlich und dieser Beitrag auch provokativ. Mit Sicherheit gibt es gute Gründe für ein Studium. Ein Pluspunkt ist auf jeden Fall der Spass, die gute Zeit, die Gleichgesinnten und Freunde, die du in der Zeit kennen lernst. Bitte schick nicht deine wütenden Eltern zu mir 🙂
Du willst Illustration studieren? 5 Fragen, dir dir helfen können, eine für dich passende Uni zu finden:
- Wer unterrichtet das, was mich am meisten interessiert?
- Kann er/sie wirklich was, und kann er/sie es auch vermitteln?
- Komme ich menschlich gut mit den wichtigsten Lehrern aus?
- Was berichten Ehemalige von ihrer Studienzeit? Hat es ihnen geholfen erfolgreich Fuss zu fassen? Sind sie da, wo du auch hin willst?
- Wie kann ich vorab einen Einblick aus nächster Nähe erhalten? Fühle Lehrern und Studierenden, und am besten auch Ehemaligen, auf den Zahn! TIPP: Ehemalige Studenten findest du über Xing. Bitte um 10 Minuten ihrer Zeit für ein Telefonat. Viele werden dir gerne helfen!